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ARMIHN: Adaptives Resilienz Management im Hafen

Kreuzfahrtpassagiere können bei Landausflügen mit verschiedensten Erregern in Kontakt kommen und diese auf dem Schiff verbreiten. Kreuzfahrtschiffe stellen aber auch ein mögliches Ziel für potenzielle terroristische Angriffe mit Biowaffen dar. Die Besonderheit eines Großschadensereignisses für Rettungskräfte im Hafen ist, dass sie auf Grund von Sperrgebieten sowie eingeschränkter Platzverhältnisse z. B. längere Anfahrwege zu schwer zugänglichen Einsatzorten in Kauf nehmen müssen. Ziel des Projektes ARMIHN ist die Verbesserung der Resilienz des Hafens und der Handlungsfähigkeit bei einem Massenanfall von Erkrankten aufgrund einer infektiologischen Notfallsituation. Hierfür sollen ein abgestimmtes Konzept zur Bewältigung eines Großschadensereignisses sowie adaptive Trainingsmodule entwickelt werden. Beides wird im Rahmen von Übung im Hamburger Hafen erprobt.

Hamburger Hafen
© panthermedia.net/Westend61 Premium

Notfallmanagement im Hafen

Wie kann das Notfallmanagement am Hamburger Hafen verbessert werden? Und wie können digitale Formate dabei unterstützen? Diese Fragen wurden in dem erfolgreich abgeschlossenen Verbundprojekt „Adaptives Resilienz-Management im Hafen“ (ARMIHN) unter der Beteiligung des Hamburg Port Health Center (HPHC) am Institut für Hygiene und Umwelt in Hamburg, des Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und maritime Medizin (ZfAM) am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) und der Klinik für Unfallchirurgie der Universität Greifswald (UMG) beantwortet.

Ziel des vom BMBF geförderten Projektes war es, die Belastbarkeit und Handlungsfähigkeit (Resilienz) bei einem Massenanfall von Erkrankten (MANE) und/oder infektiologischen Großschadenslagen im Hamburger Hafen zu verbessern.

Analyse des Notfallmanagements

Zu Projektbeginn wurden zur Erfassung des Ist-Zustands im Hafen die rechtlichen Aspekte und bestehenden Standards bezüglich infektiologischer Ereignisse aufgearbeitet und durch eine umfangreiche systematische Literaturrecherche ergänzt. Mittels Interviews mit Expertinnen und Experten wurde die bestehende Sicherheitsinfrastruktur und die Zuständigkeiten beteiligter Akteure sowie die bestehenden Organisations- und Kommunikationsstrukturen erfasst und analysiert. Um weitere Herausforderungen im bestehenden Notfallmanagement zu identifizieren, fand ein Vernetzungstreffen mit über 20 Beteiligten aus dem medizinischen und maritimen Sektor statt.

Auf Basis der Ergebnisse der Expertinnen- und Experteninterviews und der Literaturrecherche, sowie anhand identifizierter Herausforderungen während des Vernetzungstreffens, wurde eine Einsatzstrategie zum Notfallmanagement bei infektiologischen Großschadenslagen im Hamburger Hafen entwickelt. Ergebnis ist ein umfängliches Sicherheitskonzept sowie ein Kommunikationsleitfaden, welche die hafenspezifischen Gegebenheiten mitberücksichtigen.

Innerhalb des Projekts wurde zudem die von der Firma medDV GmbH betriebene und bei der Feuerwehr Hamburg (assoziierter Projektpartner) genutzte Notfall-Informations- und Dokumentations-Assistent Software (NIDA) an die besonderen Gegebenheiten eines MANE im Hafen angepasst und ein Triagealgorithmus implementiert. 

Durchführung virtueller und hybrider Übungen im Hafen

Für die Durchführung der im Projekt geplanten Übungen wurde auf Grund des zum Zeitpunkt des Projektes bestehenden Pandemiegeschehens eigens eine digitale Übungsplattform mit Videokonferenzprogramm erstellt. Die Plattform diente der Durchführung von drei virtuellen Stabsübungen mit unterschiedlichen Szenarien und kam auch bei der zweitägigen Hybridübung zum Einsatz. Als Szenario wurde jeweils ein MANE aufgrund einer infektiösen Erkrankung nachgestellt. Der zweite Tag der Hybridübung war ursprünglich als Präsenzübung auf einem Schiff im Hamburger Hafen geplant, musste jedoch aufgrund von COVID-19-Einschränkungen angepasst werden. In einem Hamburger Kreuzfahrtterminal wurde ein Schiffshospital und mehrere hundert Passagierkabinen nachgestellt. Die adaptierte NIDA-Software kam während der Hybridübung zum Einsatz und unterstützte die Rettungskräfte bei der Sichtung der erkrankten Personen an Bord des Schiffes.

Evaluation der Übungen

Die Umsetzung und Praxistauglichkeit der virtuellen Übungen, der Nutzen der erarbeiteten Konzepte sowie die Triage-Software wurden abschließend evaluiert. Hierbei wurde deutlich, dass die Stabsübungen bzw. die Hybridübung im Online-Format zur Verbesserung der Fähigkeiten und Kenntnisse im Umgang mit einem MANE beigetragen haben. Jedoch wäre nach Befragung der Teilnehmenden eine virtuelle Zusammenkunft des Stabes keine geeignete Alternative in realen Krisensituationen. Bezüglich des Triage-Algorithmus konnte bisher keine abschließende Aussage zur Verlässlichkeit der Software getroffen werden, da noch weitere Forschung zur Validierung notwendig ist.

Ausblick

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass durch die Zusammenarbeit und verbesserte Kommunikation die Resilienz aller beteiligter Akteure im Hafen gegenüber infektiologischen Großschadensereignissen gesteigert wurde. Die Vorbereitung und effiziente Reaktion im Ereignisfall zeigen die Stärke des gesundheitlichen Bevölkerungsschutzes innerhalb des vulnerablen Settings Hafen.

Die Ergebnisse des Projekts sollen auch in Zukunft weiter genutzt werden. Vor allem die Übertragbarkeit auf weitere Häfen wird angestrebt. Hierfür ist ein Leitfaden zur Erstellung von Notfallplänen im Hafen geplant. Das erstellte Trainings- und Schulungsprogramm, sowie weitere Musterdokumente zum Notfallmanagement im Hafen stehen online auf der Projektwebsite zur Verfügung. Weiterhin besteht das Ziel, Notfallkonzepte innerhalb der fünf deutschen Häfen, die nach dem Gesetz zur Durchsetzung der internationalen Gesundheitsvorschriften zur Vorhaltung benannter Kernkapazitäten verpflichtet sind, zu vereinheitlichen.

Ein Folgeprojekt, welches diese Thematik aufgreift, befindet sich in Planung. Im Sinne der Nachhaltigkeit sollen die Ergebnisse zudem national und international in Form von Publikationen oder auf Kongressen veröffentlicht werden. Im November 2022 wurde das ARMIHN-Projekt auf der jährlichen Hafenarzttagung vorgestellt.

Das Projekt mit einer Laufzeit von 34 Monaten wurde vom BMBF innerhalb der Förderrichtlinie „Zivile Sicherheit - Anwender-Innovativ“ im Rahmen des Programms „Forschung für die Zivile Sicherheit“ gefördert.

Kontakt/Autor: Dr. med. Martin Dirksen-Fischer (Projektverantwortlicher), Institut für Hygiene und Umwelt, Hamburg Port Health Center, Beltgens Garten 2, 20537 Hamburg, E-Mail: projekt-armihn@hu-hamburg.de.

Weitere Informationen zum Verbundprojekt

Förderkennzeichen:  13N14923 bis 13N14925

Projektlaufzeit 03/2019 - 12/2021

Projektumriss ARMIHN (PDF, 165KB)