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REHSTRAIN: Resilienz des Deutsch-Französischen Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsverkehrs

Zwischen 2007 und 2014 wurden auf den ICE- und TGV-Strecken mehr als 10 Millionen Fahrgäste zwischen Deutschland und Frankreich mit der Bahn befördert. Mit Blick auf das Szenario einer terroristischen Bedrohung wollten die Partner im Projekt REHSTRAIN die Verwundbarkeit des deutsch-französischen Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsverkehrs untersuchen, um die Bahn als kritische Infrastruktur an systemrelevanten Stellen besser schützen zu können. Gleichzeitig wurden umfassende Maßnahmen zur Verbesserung der Systemresilienz erarbeitet. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse wurden in ein Entscheidungsunterstützungssystem für die Betreiber überführt.

Die Sicherheit des Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsverkehrs steht im Fokus des Projektes REHSTRAIN.
Die Sicherheit des Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsverkehrs steht im Fokus des Projektes REHSTRAIN © iStock.com/Tobias Ackeborn

Wie können Kunden, Züge und Bahnhöfe des schienengebundenen Hochgeschwindigkeitssystems besser vor terroristischen Anschlägen geschützt werden? Und wie kann mehr Sicherheit realisiert werden, ohne gleichzeitig die persönliche Freiheit der Bürgerinnen und Bürger einzuschränken? Dies waren die Kernfragen des deutsch-französischen Forschungsprojektes REHSTRAIN. Das interdisziplinäre Projekt wurde auf deutscher Seite vom BMBF und auf französischer Seite von der Agence Nationale de la Recherche gefördert.

Im Bereich des Eisenbahnhochgeschwindigkeitssystems (ICE- und TGV-Eisenbahnnetz) wurde u.a. die Wirksamkeit verschiedener Sicherheitskonzepte für unterschiedliche Anschlagszenarien untersucht und bewertet. Insgesamt wurden über 60 Szenarien betrachtet, in denen unterschiedliche Ziele attackiert werden könnten. Darunter waren beispielsweise Szenarien zu Anschlägen auf Hochgeschwindigkeitszüge auf freier Strecke, in Tunneln, auf Brücken oder an Haltebahnsteigen. Weiterhin wurden potenzielle Gefahrenlagen untersucht, die Personen am Bahnsteig, in der Bahnhofshalle oder im Reisezentrum betreffen könnten. Auch mögliche Attacken auf Infrastruktureinrichtungen wie Stellwerke oder Signalanlagen, deren Ausfall den Bahnbetrieb empfindlich beeinträchtigen würde, wurden einbezogen. Je nach Beschaffenheit und Umgebungsbedingung des Anschlagsziels wurden die dafür wahrscheinlichen Anschlagsmittel und Angriffstaktiken zugrunde gelegt. Das Spektrum der Anschlagsmittel reichte von Handfeuerwaffen und unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen über schwere Hindernisse im Gleisbett bis hin zum Einsatz einer „Schmutzigen Bombe“.

Für die verschiedenen Angriffsszenarien wurden Sicherheitskonzepte zur Verringerung der Verwundbarkeit des Hochgeschwindigkeitssystems definiert. Dabei wurden zum Beispiel berührungslose Detektionsmittel, intelligente Videosysteme und Sicherheitspatrouillen berücksichtigt. Ziel war die Bestimmung des Restrisikos pro Szenario in Abhängigkeit von den in den Szenarien angenommenen Bedrohungen. Dafür wurden neben der Anschlagswahrscheinlichkeit, die sich aus der jeweiligen Bedrohung und Verwundbarkeit des Systems berechnet, auch die Schäden (Personen- und Sachschäden, wirtschaftliche Schäden) pro Anschlagsszenario berücksichtigt.

Zur Entdeckung und Identifikation gefährlicher Stoffe wurde ein praxisnaher Demonstrator entwickelt, mit dem Kunden und ihr Gepäck schnell und berührungsfrei beim Durchlaufen auf Explosivstoffe oder andere gefährliche Substanzen überprüft werden können. Die Detektionskomponenten wurden dazu in einem Portal integriert, das Passagiere auf dem Weg zu den Zügen passieren. Dabei werden durch einen von einer Seite des Portals ausgehenden Luftstrom mögliche Indikatormoleküle von Gefahrstoffen, welche sich bspw. am Körper oder der Kleidung der Personen befinden, zu einer Absaugvorsichtung auf der anderen Seite transportiert und dort detektiert. Der große Vorteil: Das Detektionsportal ist so angelegt, dass die Bewegungsfreiheit der Passagiere gewährleistet ist und Bahnhöfe offene Räume bleiben.

Das REHSTRAIN-Projekt hat außerdem ein sogenanntes „Resilienz-Intelligence-Management“
entwickelt, das

  • aus geschehenen sowie aus antizipierten Anschlägen Zukunftsszenarien ableitet,
  • unter Berücksichtigung dieser Szenarien mittels speziellen Risikoanalysen sogenannte inakzeptable Risiken des Systems identifiziert,
  • ein Sicherheitskonzept auf der Basis bereits vorhandener oder in Entwicklung befindlicher Sicherheitsmaßnahmen (z.B. das Detektionsportal) mit dem Ziel entwirft, die erkannten Risiken auf ein erträgliches Maß zu reduzieren,
  • die Wirksamkeit des Sicherheitskonzepts mittels simulierter Stresstests nachweist und demonstriert sowie
  • die voraussichtlichen Implementierungskosten des Sicherheitskonzeptes berechnet und beurteilt, in welchem Zeitraum das Sicherheitskonzept eingeführt werden kann.

Auch nach der REHSTRAIN-Projektlaufzeit treffen sich beteiligte Partner regelmäßig mit dem Ziel, die prototypischen Ergebnisse aus dem Projekt für die alltäglichen Anforderungen in der Praxis weiterzuentwickeln. Sowohl das Detektionsportal als auch das Resilience-Intelligence-Management System sind auch für die Anwendung in anderen kritischen Infrastruktursektoren interessant, zum Beispiel in der Logistik oder bei der Energie- und Wasserversorgung. Derzeit werden die Ergebnisse des Projektes zur Analyse und Visualisierung komplexer Lieferketten weiterentwickelt. Hierbei wird u. a. eine Zusammenarbeit und Weiterentwicklung mit dem renommierten „The Logistics Institute“ an der Nationalen Universität von Singapur angestrebt. Eine gemeinsame Summerschool fand bereits in 2018 statt.

Verbundpartner auf deutscher Seite waren die Universität der Bundeswehr München, die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, die Technische Hochschule Köln, die HBI Haerter GmbH, die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung und das Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie. Auf französischer Seite waren die École des Mines, das Laboratoire Central Des Ponts Et Chaussées und die Technische Universität Troyes beteiligt. Als Endnutzer wurde die Deutsche Bahn, die deutsche Bundespolizei, die französische Gendarmerie Nationale, die Offiziersschule der französischen Gendarmerie Nationale, das französische Umweltministerium und die französische Eisenbahngesellschaft SNCF eingebunden. Geleitet wurde das Verbundprojekt von Prof. Dr. Stefan Pickl, Lehrstuhlinhaber für Operations Research an der Universität der Bundeswehr München, der sich seit Jahren mit dem Forschungsthema „Resilienz komplexer Systeme und Intelligence Studies“ beschäftigt.

  

Weiterführende Informationen zum Verbundprojekt:

Förderkennzeichen  13N13786 bis 13N13790

Projektlaufzeit 10/2015 - 01/2018

Projektumriss REHSTRAIN (PDF, 94KB, Datei ist nicht barrierefrei)

   

Abschlussberichte der Teilvorhaben:

Teilvorhaben 13N13786: Untersuchung der Verwundbarkeit des schienengebundenen DE-FR Hochgeschwindigkeitssystems (Universität der Bundeswehr München)

Teilvorhaben 13N13787: Abstandsfähige Sicherheitsmaßnahmen (Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Rheinbach)

Teilvorhaben 13N13788: Ingenieurmässige Bedrohungsanalyse, Entwicklung von Resilienzstrategien und deren Validierung (Technische Hochschule Köln)

Teilvorhaben 13N13789: Modelle zur Beschreibung von Explosions- und Brandvorgängen für die Sicherheit von Verkehrsanlagen des Hochgeschwindigkeitszugverkehrs (Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), Berlin)

Teilvorhaben 13N13790: Untersuchungen zur Sicherheit in Tunneln bei Brandereignissen mit Bezug auf aerothermische Bedingungen und Evakuierung (HBI Haerter GmbH, Heidenheim an der Brenz)