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NOLAN: Skalierbare Notfall-Logistik für urbane Räume als öffentlich-private Partnerschaft im Katastrophenfall

Die zuverlässige Versorgung mit lebenswichtigen Gütern wie Trinkwasser, Lebensmitteln und Medikamenten ist ein Grundbedürfnis der Bevölkerung, welches in der Regel durch den Einzelhandel gedeckt wird. Kommt es durch Naturkatastrophen oder infrastrukturelle Störungen zu einem Ausfall der Handelslogistik, können staatliche Maßnahmen erforderlich sein, um die Versorgung zu sichern. Ziel des Projekts NOLAN ist es, ein ganzheitliches Konzept einer Notfalllogistik zu entwickeln, welches den Ausfall privatwirtschaftlicher Versorgungsstrukturen überbrückt. Durch die Zusammenarbeit von Behörden und privaten Unternehmen soll sowohl die Grundversorgung der Bevölkerung als auch der Informationsfluss zwischen den Akteuren sichergestellt werden. Parallel werden Rahmenbedingungen für eine Krisenkooperation zwischen Behörden und Unternehmen erarbeitet und hinsichtlich ihrer juristischen Ausgestaltung und Umsetzbarkeit geprüft.

Das Projekt NOLAN untersucht neuartige Konzepte einer Notfalllogistik im Katastrophenfall.
© Aleksandar Kosev/Fotolia.com

Die zuverlässige Versorgung mit lebenswichtigen Gütern wie Lebensmitteln und Medikamenten ist ein Grundbedürfnis der Bevölkerung, das im Alltag durch den Einzelhandel gedeckt wird. Wenn die Versorgung dennoch einmal signifikant gefährdet ist, müssen Behörden Verantwortung übernehmen und die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen. Behörden können jedoch nur in sehr begrenztem Maße das Angebot des freien Markts ersetzen und sind bei der Herstellung eines verlässlichen Markt-Lagebildes sowie für die Bereitstellung von Gütern auf den privaten Sektor angewiesen. Bereits in der Ernährungsnotfallvorsorge wird mit den Ressourcen des privaten Sektors geplant - beispielsweise bei dem Transport von Getreide aus der Bundesreserve zu großen Mühlen, oder auch bei der Verarbeitung von Produkten aus der zivilen Notreserve in Großküchen. Das Zusammenspiel von privatem und öffentlichem Sektor ist essenziell für eine erfolgreiche Krisenbewältigung.

Vor diesem Hintergrund wurde das vom BMBF geförderte Projekt „Skalierbare Notfall-Logistik für urbane Räume als öffentlich-private Partnerschaft im Katastrophenfall“ (NOLAN) ins Leben gerufen. Im Rahmen von NOLAN wurde erstmalig die Option einer öffentlich-privaten Partnerschaft im Krisenmanagement (Public-Private Emergency Collaboration, PPEC) systematisch von den drei NOLAN-Projektpartnern, dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), der Technischen Universität Dresden und der 4flow AG, erforscht. Das Konzept der PPECs überträgt den Grundgedanken der klassischen Public Private Partnerships (PPP), welche primär aus dem Infrastruktur- oder Bildungsbereich bekannt sind, auf den Bereich des Krisenmanagements. Eine PPEC umfasst jede Form der Koordination und Kooperation zwischen staatlichen und privaten Akteuren mit dem Ziel, die Versorgung der Bevölkerung im Notfall sicherzustellen.

Wie stehen Unternehmen und Bevölkerung zu öffentlich-privaten Partnerschaften für den Notfall?

Im Rahmen des NOLAN-Projekts wurden öffentlich-private logistische Konzepte, unter anderem in den Bereichen Hausbelieferung während Pandemien, Lagerhaltung von Notfallvorräten, koordinierte urbane Trinkwasserversorgung und Umleiten von Transporten in Krisenregionen untersucht. Diese Konzepte wurden gemeinsam mit Expert*innen aus der Praxis entwickelt und im NOLAN-Konsortium mathematisch modelliert und evaluiert.

In Bezug auf die Direktbelieferung von vulnerablen Bevölkerungsgruppen (z. B. kranke oder alte Menschen mit körperlichen Einschränkungen) im Krisenfall wurde in einer Simulationsstudie ein Konzept der Hauszustellung von Lebensmitteln während einer Pandemie für die altersbedingt vulnerable Bevölkerung der Stadt Berlin (>700.000 Personen) untersucht. Dabei wurde der hohe Bedarf an Kühlfahrzeugen als kritischer Faktor ausgemacht, welcher vor allem durch öffentlich-private Partnerschaften (PPP), Handelsunternehmen und Paketlieferdienste eingeschlossen, überwunden werden kann. Durch Modifikation logistischer Parameter und eine erweiterte PPP könnte die Anzahl der benötigten Kühlfahrzeuge um bis zu knapp 80 Prozent reduziert werden.

In einer weiteren Studie zur Identifikation von Versorgungsproblemen wurde in zwei Befragungsrunden (Tür-zu-Tür Befragungen unmittelbar vor dem Corona-Ausbruch zu Beginn 2020 mit 330 Befragten und während der Pandemie im Sommer 2021 mit 402 Befragten) das Bevorratungsverhalten der ländlichen Bevölkerung in Baden-Württemberg untersucht. Die Mehrzahl der befragten Personen führt keine Bevorratung im Sinne der Checkliste zur Notfallvorsorge des BBK. Eine Clusteranalyse zeigte Unterschiede im Bevorratungsverhalten auf Basis unterschiedlicher soziodemographischer Faktoren. Behörden sollten daher einzelne Personengruppen gezielt motivieren, Vorräte zu erhöhen, um die Selbsthilfekapazität zu steigern. So erwiesen sich bspw. jüngere Personengruppen mit vergleichsweise höherem Nettoeinkommen als sogenannte „Convenience Hoarders“, also Personen, die nur wenig lagern und selbst wenn, dann primär leicht transportier- und lagerbare Güter.

Ein kritischer Faktor für eine PPEC ist die Bereitschaft von Unternehmen, sich an einer Kooperation mit dem Staat zu beteiligen. Hier zeigten die Ergebnisse einer Unternehmensumfrage mit 398 Unternehmensvertretern verschiedenster Branchen, dass die meisten der befragten Unternehmen bereits in humanitären Aktivitäten engagiert sind und generell bereit sind, sich am Krisenmanagement zu beteiligen. Hinsichtlich möglicher Beiträge in einer PPEC zeigte sich, dass sämtliche Unternehmen sich eher als Anbieter von Lagerplätzen, Transportmöglichkeiten und Gütern sehen, nicht aber als Koordinator von Unterstützungsmaßnahmen.

Ein Leitfaden zur Planung und Entwicklung einer PPEC, der gerade konzipiert wird, soll die praktische Umsetzung entsprechender Kooperationsformen vorbereiten und unterstützen.

Umsetzungsform der Kooperation im Krisenmanagement

In Zusammenarbeit mit den assoziierten Partnern aus dem öffentlichen Sektor und der Wirtschaft wurde im NOLAN-Projekt der „Arbeitskreis Notfalllogistik (AK NOLOG)“ als vielversprechende Variante einer öffentlich-privaten Kooperationsplattform skizziert. Der AK NOLOG könnte organisatorisch an bestehende Strukturen, wie sie z.B. bereits im „UP KRITIS“ (eine öffentlich-private Kooperation zwischen Betreibern Kritischer Infrastrukturen (KRITIS), deren Verbänden und den zuständigen staatlichen Stellen) implementiert sind, angedockt werden – sei es als eigenständiger Arbeitskreis oder auch als fester Agendapunkt im Kontext des KRITIS-Austauschs. In diesem Format lassen sich Szenarien und Strategien der Krisenlogistik gemeinsam erarbeiten und eine frühzeitige öffentlich-private Abstimmung durchführen.

Die Steuerung des AK sollte von einem öffentlichen und einem privatwirtschaftlichen Akteur gemeinsam und somit auf Augenhöhe erfolgen. Teilnehmer des AK wären in diesem Fall Produzenten kritischer Güter, aber auch Logistikdienstleister, Handelsunter-
nehmen oder Behörden aller Ebenen. Aktuelle Themen wie potentielle Gefährdungen, als auch Erfahrungen aus vergangenen Krisen können ausgetauscht werden. Darüber hinaus kann die Frequenz der Treffen in Krisenzeiten erhöht werden und behördenseitig sowohl Vertreter von Ländern und Kommunen umfassen, um frühzeitig Problemen des unvollständigen oder verspäteten Informationsaustauschs sowie Koordinationsproblemen aufgrund strittiger Kompetenzen vorzubeugen.

Die Projektergebnisse sowie die im Projekt entwickelten Notfallkonzeptionen treffen auf große Resonanz bei Behörden im Bereich Zivilschutz sowie vereinzelt durch Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Ergebnisse des Projekts werden auch nach Projektende öffentlich gemacht, so z.B. auf der Sicherheitsforschungskonferenz protekt 2022 in Leipzig oder auf der NOLAN-Webseite, auf der Sie auch den anschaulichen NOLAN-Projektfilm finden. Teile der Projektergebnisse fließen in Anschlussprojekte im Bereich der Ernährungsnotfallvorsorge ein.

Das Projekt NOLAN untersucht neuartige Konzepte einer Notfalllogistik im Katastrophenfall.
© Projekt NOLAN

Weitere Informationen unter www.nolan-sifo.de

Autor: Prof. Dr. Marcus Wiens (TU Bergakademie Freiberg und NOLAN-Konsortium)     

 

Weitere Informationen zum Verbundprojekt

Förderkennzeichen: 13N14457 bis 13N14459
Projektlaufzeit: 03/2018 - 02/2022 
Projektumriss NOLAN (PDF, 308KB, Datei ist barrierefrei⁄barrierearm)